Hyaluronsäure, auch Hyaluronan genannt, wird überall im Extrazellularraum bei höher entwickelten Tieren, im menschlichen Skelettmuskel der unteren Extremitäten und im lockeren Bindegewebe gefunden. Die Faszien – festes Bindegewebe, das Muskeln, Knochen und Organe umhüllt – formen innerhalb des gesamten Körpers ein komplexes dreidimensionales Geflecht. Dieses fasziale Netzwerk spielt eine wichtige Rolle in der Übertragung mechanischer Kräfte bei Veränderungen und zur Optimierung der Körperhaltung und anderen muskuloskeletalen Dynamiken. In den Bindegewebsfasern der Fascia profunda (engl. deep fascia) bildet Hyaluronsäure in Verbindung mit dem Epimysium des Muskels eine Gleitoberfläche. Innerhalb von Gelenken verringert Hyaluronsäure vor allem die Kompression und erhöht die Volumenviskosität der Synovia, was die Lubrikation erhöht. Zu therapeutischen Zwecken wird Hyaluronsäure daher auch in Gelenke injiziert, um mit einer verbesserten Schmierung die klinische Funktion des Gelenks zu optimieren.
Inwiefern manuelle Techniken sich auf die Hyaluronsäure im faszialen Gewebe auswirken, ist bislang nicht vollständig verstanden, daher wurden von Roman und Kollegen (2013) die mechanischen Eigenschaften von drei verschiedenen Bewegungsformen berechnet, die in der Manualtherapie Verwendung finden: Konstantes Gleiten (kG), senkrechte Vibration (sV) und tangentiale Oszillation (tO).
Osteopathische Behandlungstechniken kombinieren diese Basis-Bewegungen häufig. Der Druck auf fasziale Schichten variiert, abhängig von der Bewegungsform, stark. Konstantes Gleiten (wie zum Beispiel beim Rolfing) beinhaltet eine komprimierende und tangentiale Kraft mit einer konstanten tangentialen Geschwindigkeit. Die senkrechte Vibration (zum Beispiel über ein Massageinstrument mit spezifischer Frequenz) betrifft mehr die obere Faszienschicht. Bei einer tangentialen Oszillation (z.B. fasziale Manipulation) übt der Therapeut schnelle Bewegungen vor und zurück aus, um das Gewebe zu beeinflussen.
Roman et al. wendeten in ihrer Untersuchung das 3-dimensionale Modell der Squeeze Film Lubrication Theorie und Navier-Stokes Gleichungen an, um den Fluss von Hyaluronsäure um die Faszie herum und innerhalb der Faszie während kO, sV und tO auszuwerten. Das mathematische Modell ermöglicht, den Effekt des Drucks zu errechnen, der von der Hyaluronsäure innerhalb des dünnen Films zwischen Muskel und der Fascia profunda während dieser Bewegungen generiert wird. Die Autoren stellen dabei die Hypothese auf, dass der Druck einen potenziellen Wirkmechanismus manualtherapeutischer Techniken darstellen könnte.
Während der Verformung der Faszie durch manuelle Techniken steigt der Flüssigkeitsdruck der Hyaluronsäure insgesamt deutlich an. Es wurde ein höherer Druck während der tangentialen Oszillation und senkrechten Vibration als bei den konstanten Gleittechniken berechnet. Diese Variation von Druck führt dazu, dass Hyaluronsäure während der Manipulation nah an den Rändern der faszialen Gebiete entlangfließt, was wiederum in einer verbesserten Lubrikation resultiert. Der Druck, der in der Flüssigkeit zwischen Muskel und Faszie während osteopathischer Behandlungen entsteht, verursacht eine Vergrößerung der „Fluid Gap“. Die Faszienschichten weisen also ein besseres Gleitverhalten auf, was eine effizientere Muskelarbeit begünstigt.
Das verwendete mathematische Modell suggeriert, dass senkrechte Vibration und tangentiale Oszillation die Wirkung der Behandlung besser auf die extrazelluläre Matrix übertragen. Damit sind diese beiden Bewegungsformen eine sinnvolle Ergänzung zu den häufiger genutzten Gleittechniken, insbesondere in der Therapie des Fasziensystems.
Referenz:
Roman M, Chaudhry H, Bukiet B, Stecco A, Findley TW. Mathematical analysis of the flow of hyaluronic acid around fascia during manual therapy motions. J Am Osteopath Assoc. 2013 Aug;113(8):600-10. doi: 10.7556/jaoa.2013.021.