Schmerzen im unteren Rücken (engl. low back pain, LBP) sind weit verbreitet, führen zu zahlreichen Arbeitsausfällen und stellen einen großen Kostenfaktor für das
Gesundheitssystem dar.
Klinische Studien mit Rückenschmerzpatienten werden neben physiologischen Messparametern in der Regel über PROMs (patient-reported outcome measures) evaluiert, also über Fragen oder Fragebögen, die die Veränderung der Schmerzsymptomatik durch eine therapeutische Intervention abbilden sollen.
Der Roland Morris Disability Questionnaire (RMDQ), der die Einschränkungen bei Alltagstätigkeiten durch Rückenschmerzen abfragt, ist der im Zusammenhang mit LBP am
häufigsten verwendete und empfohlene Fragebogen.
In einer groß angelegten physiotherapeutischen Studie zu LBP wurde jedoch eine Diskrepanz zwischen den Ergebnissen des RMDQ und der Selbsteinschätzung der Patienten auf eine
einfache Frage zur Veränderung der Schmerzen beobachtet (1). Der RMDQ zeigte eine Verbesserung, die Patienten gaben jedoch an, dass der Rückenschmerz schlimmer geworden
sei.
Dies veranlasste Froud und Kollegen dazu, herauszufinden, was Patienten tatsächlich denken, wenn sie auf eine Frage zur Schmerzveränderung antworten bzw. den RMDQ ausfüllen.
Dazu wurden bewusst Personen ausgewählt, die im Rahmen eines RCT (randomized controlled trial) zu Rückenschmerzen den RMDQ ausgefüllt und zwei Verlaufsfragen beantwortet hatten. Dabei zielte eine Frage auf die Veränderung in Alltagstätigkeiten ab, die andere auf Veränderung des Schmerzes. Bei den ausgewählten Teilnehmern stimmten die Outcomes nicht überein. 35 Patienten wurden ausführlich interviewt, um die zugrundeliegenden Denkprozesse zu analysieren.
Es konnten fünf verschiedene Denkpfade unterschieden werden: Die meisten Teilnehmer dachten zuerst an Schmerz, dann an Funktionseinschränkungen, unter diesen Patienten war die Wahrscheinlichkeit höher, dass das RMDQ- Ergebnis eine größere Verbesserung anzeigte als die Patienten es in den Verlaufsfragen angaben.
Die Studienleiter schließen aus diesen Ergebnissen, dass Konzepte zur Auswertung primärer Outcomes bei Rückenschmerzen eine Neubewertung und gegebenenfalls Überarbeitung benötigen. Der RMDQ könnte ungeeignet sein, weil Patienten beim Ausfüllen nicht immer ihren Schmerz berücksichtigen. Außerdem können Einschränlungen in Alltagsfähigkeiten auch unabhängig vom Rückenschmerz auftreten.
Referenz: Froud R, Ellard D, Patel S, Eldridge S, Underwood M. Primary outcome measure use in back pain trials may need radical reassessment. BMC Musculoskeletal Disorders.
2015;16:88. doi:10.1186/s12891-015-0534-1.
(1) Froud R, Eldridge S, Lall R, Underwood M. Estimating the number needed to treat from continuous outcomes in randomised controlled trial: methodological challenges and worked
example using data from the uk back pain exercise and manipulation (beam) trial. BMC Med Res Methodol. 2009;9:35. doi:10.1186/1471-2288-9-35