[English version below]
KENNEN SIE SCHON DR JORGE ESTEVES?
„Die Heilung beginnt mit dem aktiven Zuhören der/des TherapeutIn und der Entwicklung einer soliden therapeutischen Allianz zwischen PatientIn und OsteopathIn.“
Dr. Jorge Esteves ist Professor für Osteopathie und stellvertretender Direktor des ICOM (Malta). Zu seinen Forschungsinteressen gehören Palpation, affektive Berührung und die Neukonzeption der Osteopathie.
Am 19. November ist Dr Esteves mit einem Vortrag auf unserer Online Conference 2021 zu sehen:
„Anpassung, der Mensch und sein Umfeld: von AT Still zu einem ökologisch-aktiven Ansatz in der osteopathischen Versorgung“
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Mehr über Dr Jorge Esteves erfahren Sie in unserem Interview:
WAS WAR IHR HAUPTINTERESSE AN DER OSTEOPATHIE IM LAUFE DER JAHRE UND WIE HAT ES SICH IM LAUFE DER ZEIT VERÄNDERT?
Meine osteopathische Aus- und Weiterbildung war stark von den “körperzentrierten” Modellen der osteopathischen Behandlung beeinflusst. Dies prägte meine klinische Praxis und meinen Unterricht über mehrere Jahre hinweg. In den letzten 15 Jahren haben sich meine Lehrtätigkeit, meine klinische Praxis und meine Forschungsaktivitäten unter dem Einfluss meines Doktortitels in Kognitionswissenschaften radikal verändert. Meine Praxis ist stark von Forschung und Wissen aus den Bereichen Neurowissenschaften, Philosophie des Geistes und Kognitionswissenschaften beeinflusst.
WO SEHEN SIE DAS POTENZIAL FÜR DEN BEREICH DER OSTEOPATHIE IN DER ZUKUNFT?
Es gibt ein ungenutztes Potenzial für die Osteopathie als Gesundheitsberuf mit primärem Kontakt, aber OsteopathInnen müssen sich von osteopathischen Behandlungsmodellen lösen, die sich in erster Linie auf den Körper und nicht auf den Menschen konzentrieren. Wie Hoover 1963 vorschlug, ist die Osteopathie eine ökologische Medizin – eine Form der Gesundheitsfürsorge, die den Menschen in einer engen Beziehung zu seiner Umwelt betrachtet. Die Osteopathie konzentrierte sich zu sehr auf das Auffinden und Behandeln von Dysfunktion/Pathologie unter Verwendung eines stark biomedizinisch orientierten Pflegemodells. Dies muss dringend verbessert werden – vor allem in der osteopathischen Ausbildung, damit künftige PraktikerInnen nach den wichtigsten osteopathischen Grundsätzen und den besten verfügbaren Erkenntnissen praktizieren.
IHR TÄTIGKEITSBEREICH ERSTRECKT SICH VON DER KLINIK ÜBER DIE FORSCHUNG BIS HIN ZUR LEHRE UND ZUM SCHREIBEN. WIE HABEN SIE VON DIESEN ÜBERSCHNEIDUNGEN PROFITIERT?
Es ermöglichte mir, das Wesen von Wissen und Praxis in der Osteopathie kritisch zu bewerten und neue Ideen aus verschiedenen Bereichen, die eng mit dem konzeptionellen Rahmen der Osteopathie verbunden sind, in meine klinische Praxis, Lehre und Forschung einzubringen.
WANN BEGINNT IHRER MEINUNG NACH DIE HEILUNG?
Mit dem aktiven Zuhören der/des TherapeutIn und der Entwicklung einer soliden therapeutischen Allianz zwischen Patient und OsteopathIn. Das ist der Schlüssel zu einem personenzentrierten Ansatz, der nicht ausschließlich von der praktischen Behandlung abhängt.
KÖNNEN SIE UNS EINEN KURZEN ÜBERBLICK ÜBER IHRE NEUESTE FORSCHUNGSARBEIT GEBEN? WAS HAT SIE BEI IHRER FORSCHUNG ÜBERRASCHT?
In einer unserer jüngsten Forschungsstudien haben wir die Wirkung von 5 Minuten C-taktiler Afferenzen (CTs) mit optimaler Berührungsgeschwindigkeit mit 5 Minuten statischer Berührung auf die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung von Frühgeborenen im Alter von 28 bis 37 Schwangerschaftswochen verglichen. CTs sind eine Klasse von nicht-myelinisierten Nervenfasern, die durch dynamische Berührungen mit geringer Kraft aktiviert werden. Im Einklang mit einer interozeptiven Funktion aktivieren Berührungen, die speziell auf die Aktivierung der CTs abzielen, den posterioren insulären Kortex und verringern Berichten zufolge die autonome Erregung. Wir fanden heraus, dass die Berührung der CTs eine signifikante Senkung der Herzfrequenz der Säuglinge und einen Anstieg der Sauerstoffsättigung des Blutes bewirkte, die über einen Zeitraum von 5 Minuten nach der Berührung anhielten. Im Gegensatz dazu gab es bei Säuglingen, die statische Berührungen erhielten, keine signifikante Veränderung der Herzfrequenz oder des Sauerstoffgehalts im Blut. Wir glauben, dass unsere Forschungsergebnisse die Hypothese unterstützen, dass die CTs die affektive Qualität der nährenden Berührung signalisieren und ein neurobiologisches Substrat für die offensichtlichen positiven Wirkungen der taktilen Interventionen bei Neugeborenen liefern und einen Einblick in deren Optimierung bieten.
KÖNNEN SIE UNS ETWAS ZU IHREM VORTRAG AUF UNSERER DIESJÄHRIGEN ONLINE-KONFERENZ SAGEN, DER SICH MIT DEM THEMA “ANPASSUNG, DER MENSCH UND SEINE UMWELT: VON AT STILL ZU EINEM ÖKOLOGISCH-AKTIVEN ANSATZ IN DER OSTEOPATHISCHEN VERSORGUNG” BEFASSEN WIRD?
Der Mensch ist ein Beispiel für ein komplexes und dynamisches anpassungsfähiges System, und dies sollte den klinischen Denkprozess der Osteopathie beeinflussen. Wo ist die Anpassungsfähigkeit der/des PatientIn gestört, und wie kann die Osteopathie die Anpassungsfähigkeit verbessern – das sind einige der Fragen, mit denen die Osteopathie bei ihrer Argumentation und Entscheidungsfindung konfrontiert werden. Lebende Systeme widerstehen in der Regel der natürlichen Tendenz zur Unordnung, indem sie Überraschungen und Unsicherheiten minimieren, indem sie auf die Welt einwirken und ihre internen Zustände aktualisieren – durch aktive Inferenz. Ein Zusammenbruch der Anpassungsfähigkeit des Pflegebedürftigen aufgrund einer unflexiblen oder verzerrten Aktualisierung von Schlussfolgerungsmodellen führt zu Krankheit, wobei die therapeutische Allianz zur Unterstützung einer gesunden Anpassung zur Verfügung steht.
In meinem Vortrag werde ich die osteopathische Behandlung im Rahmen des enaktiv-aktiven Inferenzrahmens neu konzeptualisieren: Unterstützt durch eine robuste therapeutische Allianz helfen die OsteopathInnen den PatientInnen, ihren Krankheitserfahrungen einen Sinn zu geben, indem sie neue Körpererzählungen über ihre veränderten oder sich verändernden körperlichen Fähigkeiten erstellen und die Auswirkungen auf ihre Identität, die Beziehung zu ihrer Umwelt und den Sinn in ihrem Leben verfolgen. Ich werde versuchen, die osteopathische Behandlung im Rahmen des enaktiv-aktiven Inferenzrahmens als vereinheitlichendes integratives Modell neu zu konzipieren.
MEHR INFORMATIONEN ZU UNSERER ONLINE CONFERENCE 2021 FINDEN SIE HIER
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[English version]
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Dr Jorge Esteves is a professor of osteopathy and vice director of the ICOM (Malta). His research interests include palpation, affective touch and reconceptualization of osteopathy.
On November 19th, Dr Esteves will give a lecture at our Online Conference 2021:
„Adaptation, the person and their environment: from AT Still to an ecological-enactive approach to osteopathic care“
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Learn more about Dr Esteves in our interview:
WHAT WAS YOUR MAIN INTEREST IN OSTEOPATHY DURING THE YEARS AND HOW DID IT CHANGE OVER THE TIME?
My osteopathic education and training were heavily influenced by ‘body-centred’ models of osteopathic care. That informed my clinical practice and teaching for several years. In the last 15 years, and heavily influenced by my PhD in cognitive science, my teaching and clinical practice and research activities changed radically. My practice is heavily influenced by research and knowledge from the fields of neuroscience, philosophy of mind and cognitive science.
WHERE DO YOU SEE POTENTIAL FOR THE OSTEOPATHIC FIELD IN THE FUTURE?
There is an untapped potential for osteopathy as a primary contact healthcare profession, but osteopaths need to move away from models of osteopathic care that are primarily focused on the body, rather than the person. Like Hoover suggested in 1963, osteopathy is ecological medicine – a form of healthcare that considers the person in a close relationship with their environment. Osteopathy became too focused on finding and treating dysfunction/pathology using a heavily informed biomedical model of care. This needs to be urgently improved – particularly in osteopathic education, so that future practitioners practice according to key osteopathic tenets and best available evidence.
YOUR FIELD OF ACTIVITY EXTENDS FROM CLINIC TO RESEARCH, TO TEACHING AND WRITING. HOW DID YOU BENEFIT FROM THESE INTERSECTIONS?
It enabled me to critically appraise the nature of knowledge and practice in osteopathy, and to bring to my clinical practice, teaching and research new ideas from diverse fields which are closely aligned with the conceptual framework of osteopathy.
WHEN DOES HEALING BEGIN IN YOUR OPINION?
With the active listening from the practitioner and the development of a robust therapeutic alliance between patient and osteopath. That is key in a person-centred approach which is not entirely dependent on hands-on care.
COULD YOU GIVE US A SHORT OVERVIEW TO YOUR LATEST RESEARCH PAPER? WHAT SURPRISED YOU IN YOUR RESEARCH?
In one of our latest research studies, we compared the effect of 5 min of C Tactile afferents (CTs) optimal velocity stroking touch to 5 min of static touch on the heart-rate and oxygen saturation levels of preterm infants between 28- & 37-weeks gestational age. CTs are a class of unmyelinated nerve fibre activated by low force, dynamic touch. Consistent with an interoceptive function, touch specifically targeted to activate CTs activates posterior insular cortex and has been reported to reduce autonomic arousal. We found that CT touch produced a significant decrease in infants’ heart-rates and increase in their blood oxygenation levels, which sustained throughout a 5-min post-touch period. In contrast, there was no significant change in heart-rate or blood oxygenation levels of infants receiving static touch. We believe that our research findings provide support for the hypothesis that CTs signal the affective quality of nurturing touch, providing a neurobiological substrate for the apparent beneficial effects of neonatal tactile interventions and offering insight for their optimisation.
CAN YOU GIVE US AN EXPLANATION ABOUT YOUR LECTURE AT OUR ONLINE CONFERENCE THIS YEAR, WHICH WILL TALK ABOUT “ADAPTATION, THE PERSON AND THEIR ENVIRONMENT: FROM AT STILL TO AN ECOLOGICAL-ENACTIVE APPROACH TO OSTEOPATHIC CARE“?
Humans are an example of a complex and dynamic adaptative system, and this should inform the osteopath’s clinical reasoning process. Where is the breakdown in the patient’s adaptive capacity, and how can osteopathy improve their adaptability are some of the questions that osteopaths face in their reasoning and decision making. Living systems typically resist a natural tendency to disorder by minimizing surprise and uncertainty by acting on the world and updating their internal states—through active inference. A breakdown in adaptive capacity of the person seeking care due to an inflexible or distorted updating of inferential models will lead to illness, with the therapeutic alliance available to support healthy adaptation.
In the lecture, I will reconceptualize osteopathic care under the enactive-active inference framework: underpinned by a robust therapeutic alliance, osteopaths help patients make sense of their illness experiences by creating new body narratives about their changed or changing physical capacities and in pursuing effects on their identity, relationship with their environment and meaning in their lives. I will try and reconceptualize osteopathic care under the enactive-active inference framework as a unifying integrative model.
MORE INFORMATION ABOUT OUR ONLINE CONFERENCE 2021 YOU CAN FIND HERE