Wer hat’s erfunden? Ein Überblick zur Entstehungsgeschichte der manipulativen Therapie

Wer hat’s erfunden? Ein Überblick zur Entstehungsgeschichte der manipulativen Therapie

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Zwischen den verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen entfachen immer wieder Kontroversen über die Berechtigung zur Manipulation. Doch wie historische Recherchen zeigen, entwickelte sich die manipulative Therapie nicht nur parallel in verschiedenen Teilen der Erde, sondern auch parallel in verschiedenen Professionen.

Manipulative Therapie war anfänglich das Standbein der Osteopathie und Chiropraktik, die beide im 19. Jahrhundert als Antwort auf die Defizite der allopathischen Medizin gegründet wurden. Medizinische und osteopathische Ärzte führten die manipulative Therapie später in den Beruf der Physiotherapie ein. Es ist bekannt, dass spinale Manipulation in vielen Kulturen praktiziert wurde und wird, häufig in abgeschiedenen Gemeinschaften wie Indonesien, Hawaii, Japan, China und Indien, von Schamanen in Zentralasien, in Mexiko, bei „Knochenrichtern“ in Nepal, Russland und Norwegen. Die früheste historische Referenz über die Anwendung manipulativer Therapie in Europa datiert sich jedoch zurück auf 400 v. Chr. und lässt vermuten, dass die Anwendung der Manipulation zu diesem Zeitpunkt bereits etabliert war.

Hippocrates

Hippocrates (460-385 v.Chr.), oft als „Vater der Medizin“ bezeichnet, war der erste Arzt, der die Wirbelsäulenmanipulation unter Zuhilfenahme der Schwerkraft in der Behandlung von Skoliose beschrieb. Der Patient wurde dafür an eine Leiter gebunden und kopfüber umgedreht. Die zweite Technik, die Hippocrates beschreibt, beinhaltete die Nutzung eines Tisches mit verschiedenen Riemen, Rädern und Achsen, die eine Traktion ermöglichten. Dann konnten Hand, Fuß, sitzendes Körpergewicht oder ein hölzerner Hebel genutzt werden, um in der Behandlung eines Gibbus oder prominenten Wirbels spinalen Druck oder einen Thrust auszuüben. Hippocrates hielt fest, dass nach dieser Behandlung Körperübungen ausgeführt werden sollen.

Galen

Der bekannte römische Chirurg Galen (131-202 n.Chr) hinterließ Zeugnisse von spinaler Manipulation, die Stehen und Gehen des Therapeuten auf der dysfunktionalen Wirbelsäulenregion beinhalteten. In 18 seiner 97 erhaltenen Aufzeichnungen kommentierte Galen die Arbeit von Hippocrates, mit zahlreichen Zeichnungen seiner manipulativen Techniken. Das Design von Hippocrates‘ Behandlungstisch sowie seine Manipulationsmethoden hatten damit mehr als 1600 Jahre überlebt.

Avicenna, „Doktor der Doktoren“ aus Bagdad (980-1037 n.Chr.), integrierte Beschreibungen von Hippocrates‘ Techniken in seinem medizinischen Text „Das Buch des Heilens“, was zukünftige Gelehrte wie z.B. Leonardo da Vinci beeinflusste und erheblich zur Entstehung der Westlichen Medizin zum Ende des Mittelalters beitrug.

Moderne Medizin und Wirbelsäulenmanipulation

Die Renaissance in der Medizin begann 1543 mit den detaillierten anatomischen Studien und Darstellungen des menschlichen Körpers durch Andreas Vesalius. Aber auch im 16. und 17. Jahrhundert tauchten Hippocrates Manipulationsprozedere erneut in einigen wegweisenden Schriften auf:

  • 1580 empfahl der berühmte Militärarzt Ambrose Pare, der vier französischen Königen diente, die Manipulation bei Wirbelsäulenverkrümmung
  • 1665 beschrieb Friar Thomas in seinem Buch „The Complete Bone Setter“ manipulative Techniken für die Extremitäten
  • 1674 griff Johannes Scultetus Beschreibungen von Hippocrates Manipulationsmethoden in „The Surgeon’s Storehouse“ auf.

Während die manipulative Therapie im 18. Jahrhundert, vermutlich durch regionale Tuberkulose-Epidemien, wieder aus dem Fokus rückten, kehrte diese Therapiemethode wenig später in verschiedenen Gebieten Europas und Asiens eher wieder in die Domäne der Dorfheiler zurück. Dort wurden schon immer traditionelle Heilkünste praktiziert und weitergegeben, nun wurden diese innerhalb der Gesellschaft sichtbarer.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich ein klinisches Paradoxon. Einige etablierte Mediziner verschworen sich gegen die Bonesetter und versuchten, ihre Geschäfte zu unterbinden. Andere Ärzte wie James Paget und Wharton Hood wollten deren Wissen und Können nutzen. Paget soll dennoch propagiert haben, die Verfahren würden mit mehr Glück als Verstand angewendet. Hood hingegen ließ sich in Manipulationsverfahren ausbilden und resümierte, dass es eine sichere und wirksame Behandlungsmethode sei. 1871 veröffentlichte er in dem Journal Lancet ein technisches Manual zur Manipulation der Extremitäten.

Bereits 1882 war Manipulation in der Medizin allgegenwärtig. Nicht nur als Thema von Meetings und Veröffentlichungen, auch das erste Buch wurde publiziert. Die größte Erkenntnis der medizinischen Gemeinschaft dieser Zeit war wohl, dass sie Manipulation als effektive Behandlungsmethode anerkannten, jedoch immer noch als Angelegenheit der Bonesetter.

Chaos in der allopathischen Medizin: Nährboden für alternative Philosophien

Trotz großen Fortschritts durch wissenschaftliche Forschung, hatte sich die Medizin wenig verändert: beobachte und nutze was hilft und vermeide, zu schaden. Diese Logik basiert rein auf Symptomen. Allerdings führte sie dazu, dass Amerikas berühmtester Arzt, Benjamin Rush, 1796 entdeckte, dass Fieber sich am besten mit Aderlass behandeln ließe. Sein überhitzter, geröteter, deliriöser Patient war nach dem Aderlass kühl, blass und euphorisch. Für Rush ein klares Anzeichen der Genesung. Daraus entwickelte sich in Amerika und Europa die weit verbreitete Methode des Aderlasses.

Erst um 1820 wurden erste Messinstrumente für Temperatur und Blutdruck sowie das Stethoskop genutzt und über zuvor verbotene Dissektion gab es viele neue Erkenntnisse über den Aufbau des menschlichen Körpers.

Durch den amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1875) verbesserten sich die chirurgischen Techniken, Louis Pasteur’s Theorie (1865), dass Keime für Krankheiten verantwortlich sind, kam jedoch für viele tausend Soldaten zu spät.

Andrew Taylor Still – Osteopathie

1828 geboren, ließ sich Still nach Vorbild seines Vaters als Arzt ausbilden. Er besuchte vermutlich jedoch nur ein Seminar der formalen medizinischen Ausbildung, da ihm diese langweilig und uninspirierend vorkamen. Eine weitere Desillusionierung Stills gegenüber der medizinischen Profession erfolgte, als drei seiner Kinder  während einer Pestepidemie starben.* Trotzdem behielt Still seine Lizenz zur Ausübung der Medizin, jedoch nur, um die Entwicklung seiner neuen Ideologie zu erleichtern.

Still kam durch eine zufällige Selbstbehandlung im Kindesalter und weitere Beobachtungen früh zu dem Schluss , dass eine normale Funktion des muskuloskelettalen Systems die Basis für Gesundheit ist. Neben manipulativen Techniken, nutzte er auch die Idee des Magnetismus nach Franz Anton Mesmer, einer Behandlung über den menschlichen Geist. Stills frühe Schriften befassten sich zunächst auch mit religiösen Studien zwischen Gott und dem Teufel, was nicht dazu beitrug, mehr Akzeptanz in der medizinischen Gemeinschaft zu erlangen. Ab 1874, während er an neueren anatomisch- und biomechanisch-basierten Theorien arbeitete, verwies Still auf sich selbst, als den „Lightening Bone Setter“. Still übte öffentlich Kritik an der medizinischen Profession und ihren Methoden. Zusammen mit seiner unpopulären Annahme, Krankheiten über Manipulationen zu heilen, wurde ihm der Zugang zu etablierten medizinischen Schulen zum Lehren seiner Philosophie und Techniken verweigert. Sein nicht-medikamentöser, nicht-chirurgischer Behandlungsansatz erlangte innerhalb der Bevölkerung dennoch rasch wachsendes Interesse. Bereits kurze Zeit später konnte er die steigende Zahl an Patienten nicht mehr allein behandeln und bildete andere Behandler aus. 1892 gründete Still das American Osteopathic College of Osteopathy in Kirksville, Missouri. Es folgten weitere Colleges und in Stills Todesjahr (1917) gab es bereits 3000 Absolventen mit dem Titel „Doctor of Osteopathy“.

Die schnell wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden nicht nur innerhalb der Ärzteschaft integriert, sondern auch in den osteopathischen Colleges unterrichtet. Diese Parallelentwicklung führte dazu, dass osteopathische Ärzte in Amerika die gleichen Rechte hatten wir medizinische Ärzte.

Daniel David Palmer – Chiropraktik

Der 1845 in Kanada geborene Fabrikarbeiter wanderte 1865 in die USA aus. Sein wahres Interesse galt jedoch schon länger der wissenschaftlichen Literatur rund um die Heilkünste. Nach 20-jähriger Tätigkeit als Lehrer, Gärtner und Farmer wurde er ein „natural healer“.

In seiner Tätigkeit als Heiler mit wissenschaftlichem Interesse entdeckte Palmer, dass, wenn ein Wirbelkörper aus der Linie abweiche, Nerven unter Druck geraten können. Er schloss daraus, dass herabgesetzte Nervenimpulse wiederum die viszerale Funktion beeinflussen, was zu Krankheiten führen kann. 1897 eröffnete er in Davenport, Iowa, seiner erste Schule, das Palmer College of Cure, heute bekannt als Palmer College of Chiropractic. 1908 wurden Palmer neben hundert weiteren Chiropraktoren angeklagt, Medizin ohne Lizenz auszuüben. Wenig später wurde jedoch entschieden, dass sie keine Medizin, Chirurgie oder Osteopathie praktizierten, sondern die abgegrenzte Heilkunst der Chiropraktik. Palmers Sohn führte 1910 das Röntgen in die Chiropraktik ein und 1924 ein Gerät, das abweichende Wirbel aufspürte. In den 1920er Jahren nutzte B.J. Palmer die damaligen Massenmedien wie das Radio, um Chiropraktik populärer zu machen, was jedoch auch die Opposition der Ärzteschaft wieder entflammen ließ.

Die Chiropraktoren selbst fürchteten jedoch auch um ihre berufliche Existenz. Daraufhin versuchte die Gemeinschaft, Physiotherapeuten aus dem Feld der manipulativen Therapie auszuschließen. So warnte 1958 die National Chiropractic Association vor der wachsenden Zahl an Physiotherapeuten, die in manipulativen Techniken ausgebildet wurden und über die zunehmende medizinische Forschung in der manipulativen Therapie.

Medizinische Befürwortung

Unter Still’s Studenten befanden sich auch Ärzte, wie die Schotten William Smith und J.Martin Littlejohn. Smith ließ sich von Still in Osteopathie unterrichten und gab dessen Studenten im Gegenzug Vorlesungen in Anatomie, was die wissenschaftliche Ausrichtung der Osteopathie erheblich verbesserte. Littlejohn wurde der erste Dekan des College of Osteopathy in Kirksville. Bevor er nach Großbritannien zurückkehrte und dort das British College of Osteopathy in London gründete, baute er das Chicago College of Osteopathy auf. In England wurde die Osteopathie jedoch rechtlich der Medizin nicht ebenbürtig. Trotzdem begann Littlejohn 1920, seine ärztlichen Kollegen und physikalische Therapeuten in der Kunst und Wissenschaft der Wirbelsäulenmanipulation zu unterrichten. Dies wurde besonders von dem Arzt James Mennell und dem Physiotherapeuten Edgar Cyriax sehr befürwortet.

James Mennell und Edgar Cyriax

Zwischen 1912 und 1935 diente Mennell als medizinischer Offizier und gab Vorlesungen in Massagetherapie in der Training School des St. Thomas Hospital. Er nutzte in der Behandlung muskuloskelettaler Dysfunktionen unter anderem auch manuelle Therapie. 1917 veröffentlichte er den Text Physical Treatment by Movement, Manipulation and Massage. Der Physiotherapeut Edgar Cyriax assistierte in seinen Kursen am St. Thomas Hospital. Der gebürtige Schwede studierte am Institute of Swedish Remedial Gymnastics and Massage und unterrichtete am Ablegercollege in London. Später studierte er in Edinburgh Medizin – zusätzlich wird aus seinen Aufzeichnungen ersichtlich, dass er auch manipulative Therapie lernte und praktizierte. In Mennells letzter Veröffentlichung beschrieb er die Beobachtung viszerosomatischer und somatoviszeraler Reflexe und postulierte damit die Bedeutung der Differentialdiagnose.

John McMillan Mennell

Wie sein Vater, bemühte sich auch John Mennell, möglichst viele Ärzte in der Kunst und Wissenschaft der orthopädie-basierten spinalen manipulativen Therapie zu unterrichten. Er war maßgeblich an der Gründung der North American Academy of Manipulative Medicine beteiligt und erwirkte, dass Osteopathen ab 1977 die Akademie besuchen durften. Sein Unterricht wandte sich nie an eine bestimmte Berufs- oder Interessentengruppe, sondern hatte immer das übergeordnetes Ziel, zu einer sicheren spinalen Manipulation auszubilden. Sein wohl berühmtestes Werk ist „The Musculoskeletal System: Differential Diagnosis from Symptoms and Physical Signs“.

James Cyriax

Als Absolvent des St. Thomas Hospital wurde er 1954 Spezialist in Orthopädie. Für ihn waren Physiotherapeuten aufgrund der praktischen Ausbildung und der engen klinischen und theoretischen Verknüpfung mit der Medizin prädestiniert für das Erlernen manipulativer Techniken. Er widmete sein Arbeitsleben neben der Verbesserung seiner persönlichen Fertigkeiten auch derjenigen von Physiotherapeuten und Ärzten. In seinem Werk „Textbook of Orthopaedic Medicine, Volume I“ beschrieb Cyriax 1954 das „selective tissue tension testing“, die Grundlage einer logischen, klinisch überlegten Differenzialdiagnostik. Innerhalb der orthopädischen Manualtherapie veränderte diese klinische Philosophie viel, in der Ärzteschaft blieb ein derartiges Umdenken jedoch aus.

Entwicklung der Physiotherapie

Die Massage war vermutlich die früheste und am weitesten verbreitete manuelle Intervention. 1584 unterrichtete Dr. Timothy Bright an der Cambridge Universität in England die Anwendung von Hydrotherapie, Körperübungen und Massage.  Erst 200 Jahre später wurden diese Therapien in die Wissenschaft einbezogen, durch den schwedischen Physiologen und Gymnastikinstruktor Per Henrik Ling (1776-1837). Ling konnte zeigen, welchen positiven therapeutischen Effekt aktive und passive Bewegung hatten. Er ist Gründer des Schwedish Gymnastic Movement System, fälschlicherweise wird er auch immer wieder als Gründer der Schwedischen Massage bezeichnet. Die rief jedoch der holländische Arzt und Gymnastiklehrer Johan Mezger (1838- 1909) ins Leben. Im mittleren 19. Jahrhundert gab es schwere Typhus-, Cholera- und Ruhrepidemien, die mehr Menschen töteten als der russische Feind im Krimkrieg. Die britische Regierung sandte eine Sachverständige namens Florence Nightingale (1820-1910) mit einem Team aus 38 Krankenschwestern in die Türkei. Sie gilt als erste Gründerin einer Schwesternschule, jedoch hatte sie niemand als echte Mutter der Physiotherapie erkannt. Doch war es ihr Nursing-Team, das rudimentäre Methoden der physischen Rehabilitation entwickelte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielten Massage und medizinische Bewegung wachsende Popularität durch die britischen Krankenschwestern, vor allem durch diejenigen, die in die muskuloskelettale Rehabilitation verletzter Soldaten involviert waren. Immer mehr Schwestern ließen sich zu Masseurinnen ausbilden. Vier von ihnen, Lucy Robinson, Rosalind Paget, Elizabeth Manley und Margaret Palmer gründeten 1894 die Society of Trained Masseuse. 1920 wurde daraus die Chartered Society of Massage and Medical Gymnastics, für die auch J.M. Littlejohn Vorlesungen hielt . Sie brachte 1926 erste Absolventen nach 2-jähriger Ausbildung als „manipulative specialists“ hervor. 1944 gab es eine Umbenennung in Chartered Society of Physiotherapy. Aus der ganzen Welt kamen Studenten, um diesen neuen Beruf der Physiotherapie zu erlernen. Einige etablierten den Berufszweig daraufhin in ihrem Heimatland. Als amerikanische „Mutter der Physiotherapie“ gilt Mary McMillan. Beeinflusst von ihrer Ausbildung bei dem führenden britischen orthopädischen Chirurgen Sir Robert Jones, wurde sie zwischen 1921 und 1925 die Direktorin für Physiotherapie an der Harvard Medical School.

Es ist bekannt, dass sich die Physiotherapie parallel mit der Osteopathie, Chiropraktik und der sich entwickelnden medizinischen Profession entstand. Für die nächsten 100 Jahre trennten sich die Wege der Physiotherapie, Osteopathie und Chiropraktik jedoch. Während die Osteopathie in ihrem Ursprungsland Amerika mit der medizinischen Profession verschmolz, verblieb die Chiropraktik autonom und stand sogar in Konkurrenz mit der Medizin. Die Physiotherapie kooperierte weiterhin mit Ärzten. In den 1950er Jahren begannen Physiotherapeuten überall auf der Welt zu forschen, entwickeln und zu organisieren. Der Norweger Freddy Kaltenborn und Stanley Paris aus Neuseeland unterrichteten zu diesem Zeitpunkt bereits manuelle Therapie. 1954 therapierte Robin McKenzie zufällig einen seiner Patienten mit chronischem Rückenschmerz so erfolgreich, dass er kurze Zeit später seine Methoden und Philosophie weltweit lehrte. Zu seinen wichtigsten Erkenntnissen zählen vor allem die Definition von Kontraindikationen für die Manipulation der LWS. 1965 importierte der Australier Geoff Maitland sein Wissen, das er von Doktoren der physikalischen Medizin, Osteopathen, Chiropraktoren und Bonesettern gelernt hatte, nach Großbritannien. Er unterrichtete manipulative Techniken und etablierte die sanfte Oszillation als Vorbereitung auf oder auch als Ersatz von Thrust Techniken. Diese Mobilisation fand weltweit Anklang in der Ausbildung der orthopädischen manuellen Therapie. In enger Zusammenarbeit mit Maitland ist auch Gregory Grieve zu nennen, der als Schüler des James Cyriax die Manipulative Association of Chartered Physiotherapists aufbaute.

Zeitgleich mit Maitlands Entwicklung der Oszillations-Mobilisationen, erarbeitete Kaltenborn andere Untersuchungs- und Mobilisationstechniken. Auf Grundlage eines biomechanischen Konzepts von MacConaill entwickelte er den Ansatz, Bewegung wiederherzustellen, indem er sich auf die Bewegung in der Gelenkoberfläche konzentrierte, wie zum Beispiel über Distraktion, Kompression, Gleiten und Rotation. Zusammen mit Olaf Evjenth konzipierte er das Kaltenborn/Evjenth System, in dem die Untersuchung und Behandlung von Gelenkdysfunktionen auf Basis von Arthro- und Osteokinematik beschrieben wird. Dieser sehr mechanische Ansatz konkurrierte viele Jahre mit Maitlands Ansatz von Gewebespannung und –reaktion.

Die orthopädische Manualtherapie wuchs weltweit und so wurde während der World Confederation of Physical Therapy Conference in Dänemark 1970 die erste Untergruppe, die International Federation for Orthopaedic Manual Therapy (IFOMT) von McKenzie, Paris, Kaltenborn, Maitland, Grieve und anderen Physiotherapeuten gegründet, die initiale Standards und Empfehlungen publizierte. Seitdem arbeiten Physiotherapeuten aus klinischen, Bildungs- oder Forschungshintergründen immer weiter daran, evidenzbasierte Ausbildungsprogramme und Standards für die Praxis zu entwickeln.

Auch die manuelle Therapie entwickelt sich immer weiter in eine wissenschaftliche und forschungsbezogene Richtung, die zahlreichen Wegbereiter dieser Therapieform und ihre historische Vergangenheit aus den verschiedensten Berufszweigen sollte dabei jedoch nicht in Vergessenheit geraten.

Referenz: Pettman E. A History of Manipulative Therapy. The Journal of Manual & Manipulative Therapy. 2007; 15(3): 165-174

 

* Pettman gibt hier widersprüchliche Informationen, wenn Sie von plague und spinal menigitis spricht. Die historischen Quellen sprechen sich aber eindeutig für spinal menigitis aus z.B. Gevitz N. The D.O.’s: Osteopathic Medicine in America. Baltimore, MD: John Hopkins University Press, 1982, S. 8.

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